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9. Oktober 2014

Design fesselt: Zur Bedeutung der Ästhetik von Websites

Die Wirkung von Gestaltung nachvollziehbar zu vermessen, ist ein schwieriges Unterfangen. Bei der Beurteilung von Websites etwa liefert die Verweildauer zwar konkrete Daten und Zahlen, meist aber werden diese auf den Inhalt und die Usability und nicht auf die Gestaltung zurückgeführt. Der Psychologe PD Dr. Meinald T. Thielsch beschäftigt sich seit langem mit der Ästhetik von Websites und hat dazu auf der Basis seiner Forschungsergebnisse zahlreiche Publikationen verfasst.

Gemeinsam mit der Psychologin Maria Douneva von der Universität Münster gibt der Hochschullehrer aus Münster dem BDG Auskunft über die Rolle des Designs bei Websites.

1.) Ist das Design einer Internetseite egal?

Maria Douneva: Viele denken, das Design einer Seite hätte rein dekorative Zwecke und sei eher ein „nice to have“. Schließlich besucht man Seiten mit einem bestimmten Ziel, sei es um sich zu informieren, sich unterhalten zu lassen oder etwas zu kaufen. Angesichts der Fülle an Seiten und der oft nur begrenzten Zeit, die man aufwenden kann, treffen Nutzer die Entscheidung für oder gegen eine Seite extrem schnell. Teilweise innerhalb von Millisekunden! Der erste Eindruck, der über das Design einer Seite vermittelt wird, ist also extrem wichtig und entscheidend dafür, ob sich ein Nutzer überhaupt weiter damit beschäftigt.

Meinald Thielsch: Und auch wenn Menschen weiter mit einer Website interagieren und der erste Eindruck vorbei ist – Designfaktoren bleiben relevant. Es scheint nicht so zu sein, wie manche früher glaubten, dass Design und Ästhetik stören. Unter bestimmten Bedingungen kann sogar eine hohe Ästhetik eine schlechte Usability kompensieren.

2.) Wofür ist das ästhetische Urteil wichtig?

Maria Douneva: Die Ästhetik einer Seite trägt nachweislich am meisten zum ersten Eindruck bei, aber ist auch entscheidend für den Gesamteindruck sowie (in gewissem Maße) die Wiederbesuchs- und Weiterempfehlungsbereitschaft. Auch Einschätzungen bezüglich der Glaubwürdigkeit einer Seite, die eigentlich nichts mit dem Design zu tun haben, werden dadurch beeinflusst. Interessanterweise ist Nutzern die wichtige Rolle der Ästhetik oft nicht bewusst, stattdessen werden beim direkten Nachfragen Inhalt und Benutzerfreundlichkeit als wichtiger eingestuft – die natürlich maßgeblich zum Erfolg einer Webseite beitragen, aber eben nicht ausschließlich.

3.) Können Designer hier helfen?

Maria Douneva: Es gibt nicht DIE Regel für gutes Webdesign. Faktoren wie die Branche, Zielgruppe oder der kulturelle Hintergrund entscheiden mit darüber, was als ästhetisch empfunden wird. Daher verwundert es nicht, dass nur wenige Richtlinien existieren – nicht zuletzt, weil sich Webdesign immer im Wandel befindet. Trotzdem gibt es einige Tendenzen.
Nutzer erwarten gewisse Seitenelemente an bestimmten Stellen, zum Beispiel dass sich Logo und Unternehmensname oben befinden und die Navigation links. Wenn dieser prototypische Aufbau nicht eingehalten wird, führt das oft zu einem weniger positiven Urteil. Abweichungen vom Gewohnten, wie ein extrem grafischer Aufbau mit auffälligen Farben, stellen daher ein gewisses „Risiko“ dar. Wenn allerdings das Ziel darin liegt, einen innovativen und neuartigen Eindruck zu hinterlassen, kann sich dieses Risiko lohnen.

4.) Ab wann ist Design irrelevant?

Meinald Thielsch: In unseren Studien sehen wir: Je mehr jemand am Inhalt interessiert ist, desto eher tritt Design in den Hintergrund. Sicherlich dürfen dabei Usability und Ästhetik nicht unter eine gewisse Schwelle fallen – so mancher Webuser ist aber bei schlechtem Design viel leidensfähiger, als wir Experten vermuten würden. Den Punkt, ab dem Design aber komplett irrelevant wird, haben wir in unseren Forschungen noch nicht gefunden…

5.) Gibt es in Deutschland eine gute Designforschung?

Meinald Thielsch: Hier kann ich nur aus der Perspektive des Psychologen urteilen, da würde ich aber sagen: Auf jeden Fall! An vielen verschiedenen Hochschulstandortorten (wie bspw. Berlin, Essen oder Stuttgart) finden sich exzellente Fachkollegen, die seit vielen Jahren aus verschiedensten Perspektiven der Psychologie Design, Produktentwicklung und User Experience beleuchten. Zudem gibt es die GermanUPA, die als Fachverband hier immer wieder Forschung und Praxis in fruchtbarer Weise zusammenbringt. Derartige Synergien sind sicherlich ein ganz großer Pluspunkt in der Forschung hierzulande.

Wir danken Frau Douneva und Herrn Dr. Thielsch für dieses Gespräch. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auch zum Beispiel in dem Artikel von Rafael Jargon & Meinald T. Thielsch »Die dritte Dimension: der Einfluss der Ästhetik auf die Bewertung von Websites«. Sie können diesen Text unter http://www.thielsch.org/download/jaron_2009.pdf nachlesen.

PD Dr. Meinald T. Thielsch, Dipl.-Psych., Studium der Psychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; 2004 Diplom; 2008 Promotion zum Thema „Ästhetik von Websites“; 2013 Habilitation zum Thema „User Experience“. Seit 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; seit 2014 als Akademischer Rat in der Wirtschaftspsychologie im Bereich „Beratung und Fortbildung für Organisationen“. Lehraufträge an den Universitäten Bonn und Fribourg (Schweiz) sowie der Fachhochschule Münster. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Wirtschaftspsychologie, User Experience, (E-)Recruiting, Forschungs-Praxis-Transfer, Evaluation und Online-Forschung.
Web: http://www.uni-muenster.de/OWMS/bfo/ | www.meinald.de

Maria Douneva, B.Sc., Studium der Psychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Université Paris Ouest Nanterre La Défense. Seit 2013 M.Sc.-Studium mit Schwerpunkt Personal- und Wirtschaftspsychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

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