Ein Gespräch
Auf Einladung der Thüringer Agentur für die Kreativwirtschaft (THAK) sprachen Thomas Bender, und Dr. Stefan Gauß, beide BDG, über Stolperfallen, Potentiale und Kriterien bei der öffentlichen Ausschreibung von Designleistungen. Beide Kollegen gehören dem Rat für Vergaberichtlinien und Ausschreibungen des Deutschen Designtags an, dem Dachverband der Designorganisationen in Deutschland.
Das Gespräch fand am 29. Mai 2024 im Rahmen der Vortragsreihe #kreativgelöst: Verwaltung statt und wurde moderiert von Miriam Bätz und Claudia Köhler, beide THAK.
Noch immer gängige Praxis: Keine Vergütung für Leistungen
Thomas und Stefan eröffneten das Gespräch mit der Präsentation mehrerer Auszüge aus aktuellen Ausschreibungstexten, die direkt in das Thema einführten. Diese Ausschreibungstexte machen deutlich, dass von den Bietern Vorleistungen erwartet werden – jedoch ohne jegliche Vergütung.
Leider sind diese »Bad Practice-Beispiele« seitens der öffentlichen Hand keine Einzelfälle, wie die Referenten betonten. Das zugrunde liegende Prinzip lautet: »The winner takes it all«. Bieter, die keinen Zuschlag erhalten, gehen leer aus. Diese Vorgehensweise ist unwirtschaftlich, da die Bieter alle angefallenen Kosten selbst tragen müssen. Insbesondere im Bereich der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), die für die meisten Designleistungen Anwendung findet, steht kein Budget zur Verfügung, um das Risiko eines Totalausfalls zu mindern.
Dabei wird oft übersehen, dass der Auftraggebende mit jeder unentgeltlich erbrachten und zur Verfügung gestellten Designleistung geldwerte Vorteile erhält: Zum einen bekommen sie individuell zugeschnittene Lösungsvorschläge, zum anderen einen Überblick über aktuelle Markttrends.
Thomas und Stefan kritisierten, dass das Gesetz hier mit zweierlei Maß misst, wenn man die UVgO mit der Vergabeverordnung (VgV), die für den Oberschwellenbereich gilt, vergleicht. Ihrer Ansicht nach ist eine Angleichung der beiden Verordnungen dringend erforderlich, um die problematische Praxis der unvergüteten Vorleistungen zu unterbinden.
Die Ideenskizze als Entscheidungsgrundlage
Ein weiteres Problem stellen die sogenannten Ideenskizzen dar, die von Auftraggebenden häufig verlangt werden, um die Eignung von Bietern zu prüfen. Wie Thomas und Stefan erklärten, widerspricht dieses Vorgehen den grundlegenden Prinzipien der Designpraxis.
Selbst der erste Entwurf erfordert ein gewisses Maß an Einarbeitung und kann daher nicht einfach »aus dem Ärmel geschüttelt« werden. Zudem sind Ideenskizzen meist nur ein interner Zwischenschritt im kreativen Prozess, der aufgrund seines frühen Entwicklungsstadiums nicht zur Diskussion gestellt werden sollte.
Es gibt weitaus geeignetere Methoden, die Eignung eines Bieters zu bewerten. So können etwa frühere Arbeiten präsentiert werden. Damit gewinnen Auftraggebende einen umfassenden Einblick in die gesamte Projektbearbeitung – von der Aufgabenstellung bis hin zum fertigen Ergebnis.
Darüber hinaus kritisierten die beiden Referenten die hohen formalen Anforderungen, die Bieter in Bezug auf ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfüllen müssen. Diese Hürden sollten deutlich gesenkt werden, um qualifizierte Soloselbstständige, kleinere Agenturen und Start-ups nicht von vornherein auszuschließen.
Design – Was soll das sein?
Design ist eine vielschichtige Disziplin. Das erklärt, warum Ausschreibungen oft unvollständige oder falsche Vorstellungen von Design zugrunde liegen. Diese Missverständnisse sind nicht nur strukturell in die Vergabeverordnungen eingeschrieben, sondern auch tief in den Köpfen der Auftraggebenden verankert.
Das zeigt sich etwa darin, dass Designleistungen häufig wie ein fertiges Produkt behandelt werden, das nachträglich einem bestehenden »Inhalt« hinzugefügt werden soll. Dabei wird, so die Referenten, übersehen, dass Design umfassend arbeitet, vielfältige Bezüge integriert, diese in der Form verarbeitet und zur Reife bringt. Design ist von Natur aus prozesshaft und iterativ. Für jene, die Design ernsthaft betreiben, ist es keine bloße Dekoration, sondern ein Verfahren, das durch seine Form eine eigene Wirklichkeit erschafft, die die Bedingungen der Rezeption des »Inhalts« mitbestimmt.
Thomas und Stefan betonten, dass die vermehrte Anwendung der »funktionalen Leistungsbeschreibung« zu besseren Ergebnissen führen könnte. Diese Art der Leistungsbeschreibung, die innerhalb der Vergabeverordnungen zulässig ist, wird jedoch nur selten genutzt. Anstatt konkrete Medien oder Objekte zu definieren, wird bei der funktionalen Leistungsbeschreibung lediglich auf den Zweck der Lösung abgestellt. Die konkrete Ausgestaltung bleibt der Zusammenarbeit zwischen Auftraggebenden und Auftragnehmenden vorbehalten, wodurch ein flexibler Rahmen für innovative Lösungen entsteht, der dem Wesen des Designs eher entspricht.
Auch in diesem Zusammenhang plädierten die Referenten für eine stärkere Angleichung zwischen der Vergabeverordnung (VgV) und der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO). Nur die VgV sieht Verfahrensarten wie den »Wettbewerblichen Dialog« und die »Innovationspartnerschaft« vor, was zu der Frage führt, warum der Gesetzgeber diese Instrumente nicht auch für kleinere Aufträge freigibt. Eine willkürlich gesetzte finanzielle Grenze legitimiert so einen wesentlichen Unterschied in den Verfahren, was nach Ansicht der Referenten nicht nachvollziehbar ist.
Negative Folgen
In ihrer Zusammenfassung betonten Thomas und Stefan die negativen Auswirkungen der derzeitigen »Bad Practice« bei öffentlichen Ausschreibungen – sowohl für die Auftraggebenden als auch für die Auftragnehmenden. Die öffentliche Hand beklagt einen Mangel an Bietern, die sich auf Ausschreibungen bewerben, während Berufsverbände wie der BDG seinen Mitgliedern von der Teilnahme an fragwürdigen Vergabeverfahren abraten. Viele qualifizierte Designerinnen und Designer ignorieren öffentliche Ausschreibungen, wodurch potenziell geeignete Bieter verloren gehen. Dies führt letztlich dazu, dass das gesetzlich verankerte Ziel, möglichst viel Wettbewerb zu schaffen, nicht erreicht wird.
Was tun?
Am Ende ihres Gesprächs erläuterten Thomas und Stefan, wie sich der Deutsche Designtag (DT) für eine Optimierung der Vergabepraxis von Designleistungen engagiert. Sie hoben die Beteiligung des DT am Hearing des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hervor und verwiesen auf den bereits seit Jahren kostenfrei verfügbaren Leitfaden für die erfolgreiche Vergabe von Designleistungen, der aktuell zu einem digitalen Angebot weiterentwickelt wird. Darüber hinaus unterstützt der DT Auftraggebende durch individuelle Beratung bei der Planung und Durchführung von Ausschreibungen sowie durch Workshops, die das Wissen rund um eine verbesserte Vergabepraxis vermitteln.
Die THAK hat das Gespräch aufgezeichnet und in voller Länge mit der anschließenden Diskussion veröffentlicht.
0 Kommentare zu diesem Beitrag vorhanden