Thomas Bender über Lobbyarbeit
Was bedeutet Lobbyismus und warum gibt es ihn?
Lobbyismus ist die Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Das Besondere daran: Kontakte zwischen Lobbyisten und politischen Entscheidungsträgern haben oft informellen Charakter. Meist finden sie außerhalb des Parlaments statt, sozusagen im Vorraum oder der Lobby des Plenarsaals.
Politiker:innen und Verwaltungsbeamt:innen sind auf die Expertise von externen Fachvertretungen wie Berufsverbänden angewiesen. Gerade wenn es um Entscheidungen über komplexe Fragestellungen geht, brauchen sie das Hintergrundwissen von Fachleuten.
Lobbyismus, das klingt auch nach Korruption. Nicht umsonst gelten Lobbyist:innen als die Hofschranzen des Politikbetriebs, die sich die Gunst der Volksvertreter mit Schmeichelei und Geld erkaufen. Die Folge: Statt berechtigte Anliegen unterschiedlicher gesellschaftlicher Interessengruppen gegeneinander abzuwägen, werden geheime Deals ausgehandelt, die nur Wenigen nutzen oder Einzelne bereichern. Beispiele dafür gibt es genug.
Und tatsächlich geht es beim Lobbyismus immer um Einfluss, Macht und Geld. Aber vor allem geht es um deren Verteilung und die ist nicht immer fair oder gerecht. Genau deswegen müssen wir uns engagieren. Nur von der Zuschauertribüne meckern bringt nichts.
Was ich bisher gelernt habe
Als ich in den Fachausschuss Arbeit und Soziales des Deutschen Kulturrats (DKR) entsandt wurde, wusste ich wenig über das Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) und das Sozialgesetzbuch (SGB) und ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich mich jemals damit beschäftigen würde. Auch mein Lieblingsthema, die Vergabe öffentlicher Aufträge nach Untervergabeordnung (UVgO) oder der Vergabeverordnung (VgV) für europaweite Ausschreibungen verspricht ja eher gähnende Langeweile als prickelnde Unterhaltung.
Lektion Eins: Seriöse Lobbyarbeit ist mehr grau in grau als bunt.
Wer sich ernsthaft engagieren will, muss sich in die Materie einarbeiten, um mitreden zu können und sich mit Vielen abstimmen, um Kompromisse zu finden. Dazu gehört es auch, entgegengesetzte Meinungen aushalten zu können, selbst wenn es schwer fällt. Pluralismus ist verdammt anstrengend.
Lektion Zwei: Lobbyarbeit ist gelebte Demokratie. Demokratie ist schwer, manchmal sogar schwerfällig.
Was mir wichtig ist
Der Wert von Arbeit und der Wert von Design. Ein Beispiel: Würde der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, unabhängig vom Erwerbsstatus und der Branchenzugehörigkeit, für alle Erwerbstätigen gelten, käme es nicht zu solch eklatanten Benachteiligungen, wie wir sie bei den Corona-Hilfen erlebt haben.
Bei einer Podiumsdiskussion im Haus der Selbständigen in Leipzig habe ich als Beispiel dafür das Kurzarbeitergeld genannt: Während Arbeitnehmer ab dem 7. Monat (mit Kinderfreibetrag) bis zu 87% ihres Nettoeinkommens bekamen und das bis zu 28 Monate lang (ohne Vermögensprüfung und ohne eine Hinzuverdienstgrenze, dafür aber mit Fortzahlung der Rentenbeiträge), wurden Solo-Selbständige mit dem erleichterten Zugang zur Grundsicherung (Hartz IV) abgespeist.
Immerhin haben Solo-Selbständige in der Corona-Pandemie zum ersten Mal überhaupt eine Rolle gespielt in der politischen Wahrnehmung, auch wenn die staatlichen Hilfsangebote unübersichtlich waren und schlecht kommuniziert, zu spät kamen und viel zu niedrig ausfielen. Bis dahin hatte die Politik Selbständigkeit und hybride Erwerbstätigkeit nicht einmal auf dem Schirm.
Unabhängig davon, in welchem Erwerbsstatus man gerade tätig ist, ob als Angestellte:r oder Selbständige:r, muss sich unser Können auszahlen und es muss sich rechnen, was wir (bzw. der Staat) in unsere Ausbildung investiert haben. Daher darf es (zumindest) dort, wo Steuergelder ausgegeben werden, also bei allen öffentlichen Einrichtungen, kein Honorardumping geben!
Worum es mir geht und was zu tun ist
Weniger um staatliche Hilfen oder Förderprogramme, als um eine angemessene Bezahlung.
Dabei müssen wir vor allem staatliche Akteure in die Verantwortung nehmen. Denn öffentliche Auftraggeber sind an Regeln gebunden. Wir müssen sie nur gelegentlich daran erinnern, Designleistungen zu fairen Konditionen einzukaufen.
Der Zeitpunkt, unsere Interessen zu vertreten, war noch nie so günstig. Nicht nur wegen der vielen Initiativen und Bündnisse, die inzwischen entstanden sind, sondern auch wegen der aktuellen politischen Konstellation auf Bundesebene.
Viele von uns kennen das BDG-Netzwerk und nutzen es, um sich über aktuelle Fragestellungen auszutauschen und vom Wissen anderer Kolleg:innen zu profitieren. Genauso ist es bei der politischen Verbandsarbeit. Das Wichtigste ist, am Diskurs teilzunehmen und im Austausch mit anderen, eine eigene Haltung zu entwickeln. Außerdem lernen wir voneinander, wie Interessen kommuniziert, Anliegen vermittelt und politische Entscheider adressiert werden können.
So gibt es z.B. die o.g. Initiativen großer und gut vernetzter Organisationen, die zwar über genügend Ressourcen verfügen, denen aber das Wissen aus der Berufspraxis fehlt, wenn es um selbständige Designer:innen geht. Sollen wir als ehrenamtliche Vertreterinnen des BDG dort unsere Zeit investieren? Ich meine schon. Da wir uns nur mit starken Partnern Gehör verschaffen und etwas bewegen können.
Wir sollten offen bleiben, wenn sich eine Chance bietet, uns aber nicht von falschen Freunden einspannen lassen. Im Politikbetrieb wimmelt es nur so von selbsternannten Expert:innen und von Leuten, die das richtige wollen, aber das falsche tun.
Kommunikationsdesign ist die Veränderungsdisziplin schlechthin und wenn es um Innovationen und gesellschaftliche Transformation geht, unentbehrlich. Wir haben die Skills dafür.
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