BDG-Newsletter

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25. Januar 2024

Lobby und Europa: 

The Glorious 42 oder wie Design in Europa sichtbar wird

Europa ist für viele Designende ein bürokratischer Koloss, weit weg von ihrem Alltag und ohne großen Einfluss auf ihre tägliche Arbeit. BDG-Mitglied Regina Hanke widerspricht vehement. Sie ist Mitglied im Board des europäischen Dachverbands für Design BEDA. Ehrenamtlich. Lobbyarbeit auf europäischer Ebene ist ein langer Weg, aber sie ist überzeugt davon, dass die Arbeit der BEDA signifikant dazu beiträgt, die Rahmenbedingungen für Designende konkret zu beeinflussen und zu verbessern. Im Gespräch erzählt sie von zurückliegenden und kommenden Projekten.

BDG: Im Sommer wurden in Berlin die DesignEuropa Awards verliehen. Du, liebe Regina, hast als Mitglied im Board der BEDA am Rahmenprogramm der Veranstaltung mitgewirkt. Doch zunächst einmal: Was ist das überhaupt für ein Preis?

Regina: Die DesignEuropa Awards werden von der EUIPO verliehen. Das EU Intellectual Property Office ist die Behörde der EU für geistiges Eigentum, die europaweit das Marken- und Designrecht verantwortet. Designende können dort direkt ihre Marken und Designprodukte schützen lassen. Daher wurde in dem Wettbewerb auch nur eingetragenes Design ausgezeichnet. Und da waren schon wirklich herausragende Sachen dabei. So wurde zum Beispiel die Schwedin Maria Benktzon mit dem Life Achievement Award ausgezeichnet: Sie hat  mit einem konsequenten Universal-Design-Ansatz Bestecke, Haushaltsgeräte und Werkzeuge für alle Menschen ob mit oder ohne Behinderung gestaltet. Und das ist wirklich beeindruckend, was da entstanden ist. In jedem Fall tragen diese Awards dazu bei, Design auf europäischer Ebene zu fördern und sichtbar zu machen.

BDG: Längst nicht jedes Design kann geschützt werden. Wird denn die ganze Breite von Designleistungen in den Blick genommen?

Regina: Wenn es um Design- und Markenschutz geht, lautet einer der zentralen Sätze: Das Design muss durch die Hände eines Menschen gegangen sein. Produkt- und Industriedesign ist daher natürlich wahnsinnig wichtig, im Kommunikationsdesign sind es die Marken, die im Fokus sind. Aber in dem Moment, in dem wir über Service Design oder über AI-getriebene Entwicklungen reden, wird es schwieriger. Design umfasst aber längst auch nicht tangible Produkte, wie Prozesse, Services, Modellentwicklungen oder Ähnliches. Diese Leistungen werden aktuell im Designrecht nur stark begrenzt abgedeckt. Das führt zum Beispiel dazu, dass ein touchable Screen oder eine spezifische Reaktion eines Buttons nicht im Designrecht geschützt ist, sondern im physikalischen Software-Bereich. Das finden wir schon komisch als Designende und als BEDA, weil es eine originäre  Designleistung ist, wie sich Buttons verändern, wenn man einen Hover- Effekt darüber legt.

BDG: Was heißt das für Designende, wenn etwa Services nicht geschützt werden können?

Regina: Nur wenn man ein Recht etwa auf ein Service Design Modell anmelden kann, lässt es sich lizenzieren. Damit dann auch unterlizenzieren und/oder verkaufen. Es ist also eine konkrete Einnahmequelle, die wegfällt, wenn Modelle, Methoden oder Prozesse nicht geschützt werden können. Im Rahmen der BEDA setzen wir uns daher für die Etablierung eines zeitgemäßen erweiterten Designbegriffs im Marken und Designrecht ein.

BDG: Ihr habt dazu im Rahmenprogramm der Awards einen Workshop für die hochrangige Vertreter:innen der EUIPO und Mitarbeitende des Bundesjustizministeriums angeboten. Was habt ihr gemacht und wie kam das an?

Regina: Der Workshop war eine Zusammenarbeit von BEDA und Deutschem Designtag, also dem europäischen und dem Deutschen Dachverband. Wir wollten die Chance nutzen, im Rahmen der Preisverleihung der EUIPO den erweiterten Designbegriff vorzustellen. Wir haben dann einen Workshop initiiert, der für die EUIPO sehr ungewöhnlich war. Für Designende ist der Standard. Es gab zu Beginn Keynotes, es gab kurze inspirational Talks mit Speakern wie zum Beispiel Jan Erik Baars aus Luzern, Pamela Mead von SumUp, die ihre Perspektive und Produkte vorgestellt haben. Auf dieser Basis haben wir dann in Tischen mit Designenden, Juristinnen und Juristen und hochrangigen Mitarbeitenden der EUIPO gemeinsam überlegt, was nächste Schritte sein könnten. Das war ein Workshop über zweieinhalb Stunden, der sehr erfolgreich war. Das ist eine sehr lange Zeit für eine Institution wie die EUIPO. Die Teilnehmenden fanden es so spannend, dass sie weiter an diesem Thema dran bleiben wollen und sich weiter mit dem Thema beschäftigen wollen.

BDG: War denn die nationale Ebene auch dabei? Die Preisverleihung wurde ja durch das deutsche Justizministerium durchgeführt?

Regina: Natürlich haben wir auch das zuständige Referat im Justizministerium eingeladen. Da die Leiterin leider verhindert war, hat sich im Nachgang die Möglichkeit zu einem Treffen zwischen dem Deutschen Designtag und Verantwortlichen im Ministerium ergeben, in dem unsere Vorstellungen auf großes Interesse gestoßen sind. 

BDG: Europa ist für die meisten Designenden sehr weit weg. Du hast dich dazu entschlossen, Lobby auf europäischer Ebene zu betreiben. Warum?

Regina: Es war lange Zeit für Designende oder eine Design-Agentur unmöglich, an dem europäischen Förderprogramm für Forschung und Innovation Horizon Europe teilzunehmen, weil schlicht die Designbranche nicht vorkam. Sie existierte nicht. Selbst Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW) gab es nicht. Das hat sich nur durch das Engagement vieler Verbände wie auch der BEDA geändert. Erst dadurch wurden die Leistungen der KKW auch als Wirtschaftsleistung anerkannt. Und dadurch können jetzt auch Designleistungen in viele Horizon-Programme integriert werden. So wurde zum Beispiel erkannt – und das ist für alle Kommunikationsdesignende interessant – dass es nicht reicht, etwas zu erforschen oder zu erbauen, sondern dass man das auch transferieren und kommunizieren muss. Deswegen ist inzwischen in fast allen großen Horizon-Programmen integriert, dass auch für die professionelle Kommunikation Sorge getragen werden muss. Entsprechende Partner müssen daher an Bord genommen werden. Für Designende kann das ganz konkret zu wachsender Nachfrage von Designleistungen führen. Das ist eines der Anliegen der BEDA. Zugleich arbeitet sie daran, sich an der Gestaltung neuer Förderprogramme zu beteiligen, um Einfluss im Sinne der Designbranche zu nehmen.

BDG: Das sind die langfristigen Ziele. Ganz konkret: Was willst du im Rahmen deiner Arbeit in 2024 erreichen?

Regina: Design verfügt über sehr viele gute Methoden und Modelle, um Transformationsprozesse voranzutreiben und zu steuern — und so ist Design bspw. eine der Arbeitsgruppen im Europäischen Policy-Lab. Design nimmt den Menschen in den Fokus, zum Beispiel beim Prototyping oder in partizipatorischen Prozessen. Nicht nur im Sinne einer Produktentwicklung oder Kommunikation sondern auch um damit Transformation und die notwendigen Veränderungen nachvollziehbar und menschenfreundlicher zu machen. Das ist für uns eine klare Sache. In Gesprächen mit den Verantwortlichen auf europäischer Ebene sitze ich dann mit zahlreichen anderen Lobbyorganisationen zusammen an einem Tisch und jeder versucht, für seine Branche das Beste herauszuholen. Lobbyorganisationen wie etwa der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) oder der Dachverband der Textilindustrie haben dabei hauptamtliche Fachleute vor Ort, die sich ganz genau mit jeder Schraube an einer Maschine auskennen. Nur wenige Designende haben in der Regel diese Art von tiefem Domainwissen. Wir haben eine Methodenbaukasten und können Ästhetik und Zugänglichkeit auf verschiedenen Ebenen von Inhalt bis Oberfläche schaffen. Unser Wissen und unsere Fähigkeiten in Kombination mit einem tiefen Domainwissen ist jedoch das, was Lobbying erfolgreich macht.

BDG: Was macht ihr also, um gegen andere Interessensvertretungen zu bestehen?

Ich setze mich dafür ein, Domainwissen in der BEDA zu verankern. Wir werden sehr häufig um Stellungnahmen oder Positionen zu verschiedenen Themen gebeten. Wir wissen aber im Vorhinein natürlich nicht, welche Fragen auf die BEDA zukommen. Dafür benötigen wir gegebenenfalls dieses tiefe Verständnis – das Domainwissen. Und deswegen bauen wir zur Zeit Expert:innenwissen auf. Die Suche startete vor zwei Jahren. Inzwischen haben wir die ersten sechs Expert:innen identifiziert – von stark regulierten Themenfelder wie der Gestaltung von Beipackzetteln für Medikamente bis hin zu Fragestellungen der Materialitäten von textilen Stoffen. Das Ganze heißt Glorious 42 nach Hitchhikers guide through galaxy, denn wir wissen ja nicht, welche Fragen auf uns zukommen, aber wir haben dann vielleicht die Antwort.


Über Regina:

Regina Hanke ist Mitglied im BDG und im Rat für Europa und Internationales beim Dachverband der Designorganisationen, dem Deutschen Designtag. Sie ist Vorstandsmitglied des Bureau of European Design Associations (BEDA) und engagiert sich auf deutscher und europäischer Ebene in der Schnittstelle zwischen Politik und Design. Neben langjähriger Agenturerfahrung im Non-Profit Bereich ist sie Mitgründerin von ‚Leila‘ – einer der führenden medizinischen Informationsanwendungen und Content Management Systeme für med. Leitlinien. Seit 2022 lehrt Sie als Professorin an der Macromedia University of Applied Science. 

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