Das Buch zeigt 30 Projekte mit überwiegend gelungenen Projekten, ergänzt durch zehn Einführungen der beiden Autoren und Co-Autoren. Jedes Projekt wird auf ein bis zwei Doppelseiten präsentiert und ausreichend bebildert. Leider fällt bei einigen Projekten durch die Bildwahl genau das vom Tisch, was ein gutes Signaletik-Projekt ausmacht: die kohärente Erfahrung. Leitsysteme bestehen eben nicht nur aus einer oder zwei Momentaufnahmen, sondern aus einer logischen visuellen Begleitung durch ein Objekt. Die Bebilderung zwingt den Betrachter somit auf die Ebene zurück, die die Autoren vermutlich verlassen wollten, nämlich die rein ästhetische Bewertung der Typografie im Raum. Die Autoren stellen damit eine Geschmacksfrage, wo eine Sinnfrage angebracht wäre.
Die Einführungsessays führen unter anderem zu Grundlagen der visuellen Kommunikation und erklären zum Beispiel Farbe, Material oder Key Visuals. Nur wird leider nicht immer ausreichend deutlich, für wen diese Einführungen geschrieben wurden. Architekten werden über diesen Ritt durch visuelle Grundlagen wenig erstaunt sein, Kommunikationsdesigner ebenso. Einzig Planer und Investoren werden einen Gewinn daraus ziehen können – wenn Sie etwas Zeit mitbringen. Vollkommmen zurecht wird allerdings ebenso deutlich wie oft formuliert, dass Signaletik in die Konzeption gehört und nicht in die Ausführung. Was Kommunikationsdesigner seit Jahren empfehlen, wird hier den Planern und den Architekten eindringlich ans Herz gelegt: Ein gelungenes Orienterungsdesign, das genau das richtige Maß zwischen Einfügen und Auffallen wahrt, kann nur entstehen, wenn Architekten und Designer sich frühzeitig austauschen.
Die Buchtypografie von »Signaletik« ist funktional aufgeräumt und nimmt sich angenehm hinter die Projekte zurück. Der Weißraum ist souverän gesetzt, nur ist die Paginierung wenig funktional, teilweise rasterbedingt innerhalb von Bildern untergebracht, dazu auf der linken Seite. Die zehn Kapitel werden durch ganzseitige Bildseiten getrennt, von denen sich die darüber laufenden Kapitelüberschriften nicht immer deutlich genug vom Bildhinhalt absetzen und so nicht immer sauber moderieren. Die gewählte Klappenbroschur ist genau die richtige Bindung für ein Werk- und Arbeitsbuch, die feuerrote Innenseite des eingeklappten Umschlags ein gelungener Hingucker. Der Buchblock steht insgesamt in Bild und Text gut auf dem seidenmatten Papier, da stört die leichte Neigung des Papiers zur Wellenbildung nicht übermäßig.
»Signaletik« möchte zukünftigen Auftraggebern und Planern den Blick für zwei Dinge öffnen: Signaletik ist eine eigene Disziplin, die eben nicht nebenher von Architekten oder Werbeagenturen übernommen werden kann. Und Signaletikprofis sollten möglichst früh mit eingebunden werden, damit gute Ergebnisse entstehen können. Für das erste Ziel ist die Struktur des Buches sehr nützlich, wenn auch didaktisch noch nicht ganz rund. Für das zweite Ziel locken visuell attraktive Projekte, die allerdings nicht immer funktional belastbar wirken. Überraschend und unüblich ist, dass die Autorin ein eigenes Projekt als Referenz anführt.
Fazit: »Signaletik« von Kling und Krüger ist das passende Bild einer sich emanzipierenden Disziplin: Es ist noch nicht richtig fokussiert in seinen Vokabeln, ein wenig selbstreferentiell und es weiß noch nicht ganz genau, von welcher seiner Elterndisziplinen Architektur oder Design es sich mehr lösen will. Die Kernaussagen sind jedoch angenehm deutlich und sinnstiftend formuliert und lassen hoffen, dass das Buch seinen Beitrag leistet, um die Signaletik da einzuspannen, wo sie hingehört: Möglichst früh in die Konzeption.
Christian Büning
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