BDG-Newsletter

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10. Februar 2023

Schluss mit Preisdumping: Wenn faire Honorare Gesetz würden …

Autor: Thomas Bender

Die EU macht’s möglich: Eine neue Leitlinie erlaubt kollektive Vereinbarungen über Vergütungen für Solo-Selbstständige. Das war bisher aus wettbewerbsrechtlichen Gründen verboten. Seitdem wird seitens der Politik immer öfter die Frage gestellt, wie hoch Stundenhonorare sein müssen, damit sie angemessen sind. 

Bislang untersagten die EU-Wettbewerbsvorschriften (Art. 101 AEUV, sog. Kartellverbot) Tarifverhandlungen zwischen Selbstständigen und Auftraggeber:innen, da beide gleichermaßen als Unternehmen gelten. Zur Initiative der Generaldirektion Wettbewerb in der EU-Kommission gab es im letzten Jahr ein Konsultationsverfahren, an dem wir uns im Deutschen Designtag, dem Dachverband der Designorganisationen in Deutschland, und im Deutschen Kulturrat mit eigenen Stellungnahmen beteiligt haben.

Nehmen wir als Orientierung zum Beispiel das deutsche Durchschnittseinkommen: Laut Statistischem Bundesamt lag der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten im Jahr 2021 bei 4.100 Euro (Sonder­zahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind hier noch nicht berücksichtigt). In Steuer-Klasse I in Baden-Württemberg entspricht das z.B. 2.588,13 Euro netto (Handelsblatt, 22.09.2022)

Plausibler für einen Vergleich mit dem Bruttoeinkommen von Solo-Selbständigen ist jedoch das Arbeitgeberbrutto, da hier auch die Arbeitgeberanteile und Umlagen enthalten sind, die Solo-Selbständige komplett selbst tragen müssen, wenn sie nicht in der KSK versichert sind. In dem o.g. Rechenbeispiel (2021, St.-Kl. I in BW) lag das Arbeitgeberbrutto bei über 60.000,00 Euro (berechnet mit Haufe-Lexware, 18.12.2022).

Laut Honorarumfrage der Initiative für Faire Honorare, einem Bündnis von insgesamt 50 Partnern aus Berufsverbänden und Gewerkschaften, liegt der Verdienst selbständiger Designer:innen jedoch weit darunter, obwohl sie ihre Tätigkeit überwiegend im Hauptberuf ausüben und die meisten von ihnen einen Hochschulabschluss haben.

Warum ist unsere Genügsamkeit dann so groß und unser Widerstand so schwach? Vielleicht weil die ökonomischen Versprechen des Marktes immer noch so attraktiv sind? Weil wir intrinsisch motiviert sind und uns lieber an das Bestehende klammern als etwas Neues zu wagen? Oder weil wir schlichtweg keine Ahnung vom Geldverdienen haben? Interessante Frage, oder?

2021 hatten wir gemeinsam mit anderen Designvertreter:innen im Deutschen Kulturrat einen Vorschlag für eine Honorarempfehlung eingebracht – angelehnt an das Tarifsystem des öffentlichen Dienstes (TVÖD Bund), das sich an Qualifikation, Tätigkeitsmerkmalen und Berufsjahren orientiert – ergänzt durch einen Zuschlag, der den höheren Vorsorgeaufwand von Selbständigen abdeckt (Arbeitgeberbrutto) sowie betriebliche Fixkosten und Investitionsrücklagen. Die Mehrheit der Ausschuss-Mitglieder lehnte den Vorschlag zwar ab, aber die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat ihn jetzt aufgegriffen und weiterentwickelt. Mir scheint das Verdi-Modell plausibel, auch wenn wir im Detail (bei dem Verdi-Modell sind die fakturierbaren Arbeitszeiten zu hoch angesetzt, Bürokosten sowie Rücklagen für Investitionen eher zu niedrig) und bezogen auf die spezifischen Besonderheiten unseres Berufs, andere Stundensätze empfehlen.  

Der BDG hat den Stundensatzkalkulator, der anders strukturiert ist, aber ein Mindesthonorar empfiehlt, das in etwa auf dem Verdienstniveau von TVÖD 12 (Fachhochschulstudium BA/MA/Diplom in Stufe 5, d.h. 10 Berufsjahre) liegt und damit über dem oben erwähnten Durchschnittsverdienst des Statistischen Bundesamts. 


Thomas Bender ist Referatsleiter Wirtschaft im BDG. Er leitet den Rat für Vergaberichtlinien und Ausschreibungen im Deutschen Designtag und ist einer von vier Designvertreter:innen im Fachausschuss Arbeit und Soziales im Deutschen Kulturrat.

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